Mittwoch, 23. April 2014

Kennen was man kritisiert


„Man muss kennen, was man kritisieren will“, sagt man.

Nachdem ich im Rahmen der Ausbildung den „Rinderkurs“ auf einem Versuchsbetrieb in NRW gemacht habe, war ich jetzt auf dem „Schweinekurs“ an einem Versuchsstall in der Nähe von Oldenburg.

Als jemand, der auf einem Demeter-Milchviehbetrieb aufgewachsen ist, und jetzt auf meinem aktuellen Ausbildungsbetrieb mit Freilandschweinen arbeite, sind die konventionellen Bedingungen der Tierhaltung eine andere Welt.

Trotzdem bereue ich es ein bisschen, kein Ausbildungsjahr auf einem konventionellen Betrieb gemacht zu haben. Vor zwei Jahren habe ich mal auf einem Lehrlingstreffen der Freien Ausbildung einen Gesellen getroffen, der selbst von einem Demeter-Betrieb kommt, aber einen Teil seiner Ausbildung auf einem konventionellen Schweinemastbetrieb gemacht hat. Er hat gemeint, es sei eine gute Sache gewesen mal die andere Welt kennen zu lernen. Blöderweise habe ich die Aussage bis gerade eben irgendwo weit hinten in meinem Kopf abgespeichert und nicht dran gedacht.

Wenn ich mir von wem sagen lasse, dass es die Schweine zuhause nicht so schön haben wie die auf Pente, stimme ich zu. Die Ausrede „Schlimmer geht immer“ vermeidend, würde ich auch sagen, dass man sich nochmal Gedanken machen könnte, was da zu verbessern ist, bevor man mit dem Finger auf „die Anderen“ zeigt. Die Anderen machen es aber doch wirklich nicht so besonders schön.

Die Schweine mit unseren zu vergleichen, ist ein Witz.

Wir haben Sauen vorgeführt bekommen, deren Rasse wir bestimmen sollten und deren Gewicht wir zu schätzen versuchten und wenn ich mir mit den Sauen vor Augen unseren Penteraner Gedanken, dass Mercedes, unsere älteste Sau, schlecht zu Fuß ist in Erinnerung rufe, war das jammern auf hohem Niveau.

Im Herbst habe ich mir Ferkel angeschaut, die wir ein paar Monate vorher an einen befreundeten Demeter-Betrieb verkauft haben und schon da einen ziemlichen Unterschied bezüglich des Wuchses feststellen können. Diese Ferkel waren im Gegensatz zu unseren ziemlich schwabbelig. Zum Teil auf andere Fütterung zurückzuführen, zum großen Teil aber auf den Umstand, dass unsere den ganzen Tag in der Erde wühlen.

Die Schweine hier sind nochmal schwabbeliger.

Eine konventionelle Argumentation für das Enthornen von Kälbern ist die hohe Verletzungsgefahr durch Hörner – stimmt. Demeter-Kühe haben oft Striemen von Hornkratzern.

Die Schweine hier sind aber weit zerstörter jede Kuh aus einer behornten Herde die ich je gesehen habe. Voller Kratzer und aber auch vor allem voller Scheiße. Wenn man bedenkt, dass unsere Schweine auf Pente Toilettenecken anlegen und diese abgesehen vom Stuhlgang meiden, ist es schon ziemlich schlimm, ein Schwein in seiner eigenen Scheiße liegen zu sehen.

Eine andere Aussage, beim zusammensuchen von möglichen Zuchtzielen, war, folgend auf den Vorschlag „Fleischqualität“: „Qualität bekommst du nicht bezahlt“ – und so ist das.

Die normalen Mäster haben garkein Interesse daran besondere Qualität zu erzeugen, sie sind mit ihrem Produkt überhaupt nicht konfrontiert, sie verkaufen die ausgemästeten Schweine und bekommen den tagesaktuellen Marktpreis. Das wars. Direktvermarkter definieren sich über die Qualität die sie erzeugen. Und geben an, wenn sie besonders tolles Fleisch haben.

Der Vater eines Mitlehrlings wollte zusammen mit einem befreundeten konventionellen Schweinemäster Ferkel von uns kaufen, um sie vernünftig zu mästen und dann was zum selber essen zu haben – die Mäster selber wissen nur zu gut was für eine Qualität, oder Nichtqualität sie produzieren.

Für mich ist das konfrontiert werden mit solchen Zuständen, ein Anreiz ganz normal Landwirtschaft zu studieren. Ein Gedanke für mich war, dass ich im Anschluss an meine Gesellenprüfung im Sommer, in Witzenhausen ökologische Landwirtschaft studiere, die Witzenhäuser werden aber außerhalb der Szene nicht wirklich ernst genommen und als Freaks abgestempelt.

Wenn man was im etwas größeren Rahmen verändern will, muss man vom „Feind“ lernen und ihn dann mit seinen eigenen Waffen schlagen denke ich.

Ich weiß noch nicht ob sich die Idee mit dem Agrarstudium einnistet oder nicht, aber ich werde mit ihr arbeiten.

 

Freitag, 21. März 2014

Rhythmus ersetzt Kraft

Als Landwirt kommt man immer wieder in die Situation, dass man von außen damit konfrontiert wird, wie hart die eigene tägliche Arbeit doch sei.
Das erste Mal, dass mir das aufgefallen ist, war, als ich mit 18 Besuch von einer Bekannten hatte, die mir eigentlich körperlich fit erschien, der ein Vormittag mitlaufen und mithelfen zuhause bei mir aber schon ziemlich anstrengend schien.
Seitdem habe ich irgendwie immer im Hinterkopf eine "wirklich schwere Arbeit" zu verrichten wenn ich in der Landwirtschaft tätig bin.

Es ist aber eine komische Sache.
Ich kenne einige Mädchen, die den Job mindestens genauso gut machen wie ich, also grenzwertig Schwer im rein physischen Sinne kann es nicht sein.
Zu Mädchen in der Landwirtschaft werde ich irgendwann wohl nochmal einen eigenen Post verfassen, weil das ein Thema ist über das ich auch schon ein bisschen nachgedacht habe.

Aber um beim wirklichen Thema zu bleiben: für mich ist es "anstrengender" (Im Sinne von "erschöpft-sein-danach") ein paar Stunden hier auf Pente im Garten auszuhelfen, als "unsere" schweißtreibensten Arbeiten wie zum Beispiel Hackrahmen mit Geräten ausstatten, Heuballen schleppen, (zuhause) einstreuen, Holz spalten oder sowas zu machen.
Der Schluss, zu dem ich gekommen bin, war, dass Steiner in einem seiner vielen Zitate Recht hatte: Rhythmus ersetzt Kraft".

In explanation: Wenn ich klassisch-langweilig in "meinem Metier", der Landwirtschaft unterwegs bin und die Aufgaben des Vor- oder Nachmittages kenne, dann kann ich mich von meinem Tempo her schon vom ersten Handgriff an auf den letzten einstellen.
Wenn ich nicht den dauernden Stress habe "was kommt jetzt" oder "was war jetzt noch auf der Liste", kann ich ein Tempo für die Arbeiten finden, das mich nicht auslaugt, mir aber genügend Puffer verschafft, um auch wirklich alle Dinge abhaken zu können.
Dazu gehört auch, unrealistische Dinge zu erkennen, und, als unrealistisch erkannt, nicht noch in den Zeitplan reindrücken zu wollen.

Für mich sind Hunger und das Überprüfen der Uhrzeit (meistens hungerbedingt) Indikatoren dafür, dass der Rhythmus nicht stimmt.
Ich schieße mich jetzt gerade sehr auf den Rhythmus ein, aber benutze das Wort schon lange zum Beschreiben für das Geheimnis für ein unangestrengtes Arbeiten, habe es aber erst jetzt im Februar auf dem Februarkurs in Bad Vilbel in dem Steinerzitat wiedererkannt.

Zuhause war ich gewohnt, ohne Frühstück über zweieinhalb Stunden im Melkstand und Stall zu stehen, Kühe zu treiben, zu melken, Traktor zu fahren und zu gabeln, ohne dass es wirklich an die Substanz gegangen wäre.
Nachmittags das Selbe: ab halb Fünf Stallroutine.
Nach einigen Monaten hier auf Pente habe ich mich mit einer Freundin über das Thema unterhalten und gemeint, dass hier die Mahlzeiten so weit auseinander lägen, sie hat nachgerechnet und mir vorgerechnet, dass mein Penter Nachmittag länger sei als der Bornwieser - allerdings waren zuhause die letzten zweieinhalb bis drei Stunden wirklich so eine Routine, dass jeder Handgriff hundertfach erprobt war und instinktiv gemacht wurde.
So wie der Morgenstalldienst, von dem ich oft im Scherz sage, dass ich ihn zwar gemacht habe aber erst zum Frühstück wirklich aufgewacht wäre, waren die Abendstalldienste ab dem bewussten "Ich-gehe-jetzt-in-den-Stall" automatisch.
Inklusive konzentriertem Vormelken, ausweichen bei schlagenden Kuhschwänzen und Reaktionen auf tretende Kühe.

Bevor ich für mich jetzt beschlossen habe, dass der Rhythmus und das "sich einstellen" auf die Arbeiten der  Knackpunkt sind, habe ich immer von der "Logik des Hofes" gesprochen.
Ich habe in den letzten Jahren schon so viel hier geschrieben, der Begriff wird bestimmt irgendwo aufgetaucht sein.
Die Logik der Höfe ist, dass man weiß, wenn Problem X auftritt, findet man die Lösung an Platz Y.
Man "weiß wie der Hase Läuft".

Alle Freunde aus der Lehre, die den Hof gewechselt haben, und eigene Beobachtungen haben mich in diesem Erklärungsversuch bestätigt: man muss sich erstmal einen Überblick verschaffen, bevor man sich sicher fühlt. Das mit dem Steinerzitat und das, worum es in diesem ausführlichen Text geht ist nur die Speciel Extended Version der ganzen Geschichte, der Schritt von dem Punkt, dass man die Arbeit durchschaut (dem Erkennen der "Logik des Hofes") zu dem Punkt, an dem man die Arbeit wird und erst wieder aufwacht, wenn es Mittagessen oder Feierabend gibt - ohne dass es der Arbeit einen Abbruch tut (im Gegenteil, glaube ich).

Additionsstrich:
Ein entspanntes Arbeiten ist, wenn man den Halbtag nicht als aneinandergereihte Arbeiten/Aufgaben sieht, sondern als ein Ganzes, das aus diversen Arbeiten besteht, die man so sehr verinnerlicht hat, dass man den "entspanntesten" Weg durch sie hindurch blindlings finden kann. Dazu gehört natürlich auch Aufmerksamkeit und, bei mir als mein Hobby und "Mindjogging", der ständige Versuch die Dinge noch runder/effektiver zu gestalten.
Wegträumen und sich ablenken (durch Musik über Kopfhörer z.B.) ist erlaubt, wenn es die Zeit totschlägt (stressmindernd, beim grubbern, eggen, walzen, wenn man viel Erfahrung auf dem Traktor hat auch miststreuen und  Heu wenden) und nicht bei Arbeiten geschieht die Aufmerksamkeit erfordern (Kreiseleggen - Steine, schwere Dinge auf dem Frontlader - Kippgefahr, Überfahren des Hofes - herumrennende Blagen), da ist es anspannender entspannende Musik zu hören und sich darüberhinaus noch zu konzentrieren als sich schlicht und ergreifend nur zu konzentrieren.

Entspanntes und unangestrengtes Arbeiten ist entspannt zu sein.